Wohlüberlegte Angebote gestalten

Die Broschüre „Gemeinsam aktiv“ bietet wertvolle Hintergrundinformationen und Good-Practice-Beispiele für Freizeitanbieter_innen und Pädagog_innen. Ein Einblick.

Von Tina Teucher, ANU Bayern

Wie sich Freizeitaktivitäten mit geflüchteten Menschen partizipativ gestalten lassen, zeigen die österreichischen Organisationen Naturfreunde Internationale und FORUM Umweltbildung in ihrer neuen Publikation. Darin geben sie Empfehlungen, worauf bei der Planung von Freizeitaktivtäten geachtet werden sollte, wie die Verständigung gelingen kann, welcher Umgang mit traumatisierten Menschen angebracht ist und welche Rolle Natur, Nachhaltigkeits- und Umweltthemen bei der Förderung von Kompetenzen spielen können.

Selbstständigkeit statt Berieselung fördern
So empfehlen die Autoren zum Beispiel genauer auf die heterogene Zielgruppe Geflüchteter einzugehen. Der Alltag neu in Europa angekommener Menschen ist und von Unsicherheit, viel Warten und fehlenden Perspektiven geprägt. Deshalb werden sie häufig als „hilfsbedürftig“ oder „unselbstständig“ wahrgenommen. Gerade deshalb sei eine partizipative Freizeitgestaltung wünschenswert, bei der die Bedürfnisse der Teilnehmenden erfragt werden und darauf aufbauend das Angebot entsteht. Diese Beteiligung wird zum Erfolgsfaktor für Freizeitangebote: Wer eigene Ideen und Erfahrungen einbringen kann, erfährt Begegnung auf Augenhöhe und wird das Angebot auch besser annehmen.

Die meisten Geflüchteten sind relativ neu an dem Ort, wo sie wohnen und haben noch keine großen sozialen Netzwerke aufgebaut. Deshalb wünschen sie sich Freizeitaktivitäten, mit denen sie die Ortskenntnisse vertiefen und andere Menschen, auch Einheimische kennenlernen können, wofür sich Ausflüge und regelmäßige Aktivitäten gut eignen. Die Möglichkeit, sich Wege einzuprägen oder die öffentlichen Verkehrsmittel kennenzulernen, fördert Selbstständigkeit und ein Gefühl von Sicherheit.

Wie viel Dankbarkeit erwarte ich?

Wer Freizeitaktivitäten plant, sollte eng mit den Unterkünften der Geflüchteten zusammenarbeiten, um ihren Bedarf zu eruieren: Welche Angebote gibt es bereits? Was wünschen sich die zukünftigen Teilnehmer_innen und was empfehlen die Betreuer_innen? „Seid bedürfnisorientiert und flexibel“, empfehlen dazu Miriam Göritzer und Laura Schoch von connect, die Freizeitaktivitäten für geflüchtete Menschen organisieren. Man sollte genau hinschauen, was benötigt wird, aber auch welche Ressourcen zur Verfügung stehen.

Da Geflüchtete meist wenig oder gar kein Geld für Freizeitgestaltung aufbringen können, sollten Teilnahmekosten, Ausrüstung und Verpflegung in die Planung einbezogen werden. Um Teilnehmer_innen verbindlich zu gewinnen, sollte man z.B. Flyer auch in entsprechenden Sprachen gestalten, gute Wegbeschreibungen zur Verfügung stellen und genügend Zeitpuffer einplanen. Zudem sollten Aktivitätenplaner_innen ihre Erwartungshaltung bezüglich Teilnahme, Interesse und Dankbarkeit der Teilnehmenden reflektieren.

Wenn „Nein“ nicht „Nein“ heißt
Wer sich auf die Begegnung mit Menschen anderer kultureller Hintergründe einlässt, lernt dabei neue kulturell bedingte Verhaltensweisen und Bedeutungen kennen. Das kulturspezifische Wissen dafür kann man sich theoretisch und praktisch aneignen, z.B. der jeweilige Umgang mit Nähe und Distanz oder Zeit, religiöse Ansichten, Begrüßungsrituale oder Konfliktbewältigungsarten. Alice Scridon zeigt dies in ihrem Beitrag an einem schönen Beispiel: „Bietet man jemandem aus dem arabischen Raum eine Tasse Kaffee an, so kann es sein, dass die Person zunächst dankend ablehnt, jedoch eigentlich erwartet, erneut eine Tasse Kaffee angeboten zu bekommen. Der/die ÖsterreicherIn nimmt das Gesagte – die Ablehnung des Getränks – für bare Münze und versteht, dass der Gast nichts trinken möchte. Dieser wiederum empfindet den/die GastgeberIn als unhöflich.“

Der Spracherwerb gilt gemeinhin als sehr wichtig für die Integration geflüchteter Menschen. Gleichzeitig hat er nicht immer Priorität in deren von Unsicherheit geprägtem Alltag. Es stellt sich die Frage, ob Freizeitanbieter_innen auch als Sprachlehrer_innen aktiv werden können und sollten. Dazu brauche es keine einschlägige Ausbildung, meint Sprachforscher Hans-Jürgen Krumm. Wichtig sei ein praxisbezogener Umgang mit Sprache. Dazu gehört z.B., dass man keine Fehler aktiv korrigieren muss, sondern einfach durch eigenes korrektes Sprechen Vorbild sein und so den Menschen das Gefühl vermitteln kann, dass sprechen wichtiger ist als Fehler zu vermeiden.

Re-Traumatisierung vermeiden, Interessen stärken

Auch wenn Umweltbildner_innen und Freizeitanbieter_innen keine Experten in der Traumabewältigung sein können, sollten sie das Thema dennoch in der Planung ihrer Aktivitäten berücksichtigen. So sollten z.B. Aktivitäten wie Wanderungen, die möglicherweise an Kriegs- oder Fluchterlebnisse erinnern, gut vorbereitet sein. Auch für den Fall, dass eine Person in eine traumatische Erinnerung verfällt, hält der Ratgeber einige Tipps bereit.

Vor der Vorstellung interessanter Good Practice Beispiele aus der Freizeitgestaltung mit Geflüchteten, stellt das FORUM Umweltbildung ein BNE Kompetenzmodell vor, das sich u.a. am ganzheitlichen Lernen mit allen Sinnen orientiert. Darin wird auch eine Methode zur Kompetenzförderung empfohlen, die intensive Auseinandersetzung von Kindern und Jugendlichen mit ihren persönlichen Interessen und Erfahrungen ermöglicht: Die „Interessen-Schachteln“: „In einem Karton (z. B. einer Schuhschachtel) werden Objekte, Fotos oder Bilder von Dingen und Tätigkeiten gesammelt, die folgende Fragen beantworten sollen: Was ist dir wichtig? Was kannst du gut? Wofür interessierst du dich? Was würdest du gerne lernen? Die Schachtel kann mit dem Namen versehen werden und künstlerisch gestaltet werden. Bei längeren Projekten können Dinge in die Schachtel dazukommen, andere vielleicht herausgenom¬men werden. Die Objekte machen die Jugendlichen stolz auf ihre eigenen Erfahrungen und Interessen und ermöglichen anschauliche Gespräche. Im Sinne eines Lernens von- und miteinander sollten auch die Freiwilligen selbst „Interessen- Schachteln“ herstellen“.

Die kostenfreie Broschüre „Gemeinsam aktiv - Freizeitaktivitäten mit geflüchteten Menschen partizipativ gestalten“ von FORUM Umweltbildung, Naturfreunde Internationale (2016) ist hier kostenfrei als pdf erhältlich.

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