Geduld und Einfühlungsvermögen: ANU-Fachtag Rostock (17.11.2016)

Beim ANU-Fachtag am 17.11.2016 in Rostock wurden Herausforderungen bei der „Umweltbildung mit Geflüchteten“ diskutiert.

Ulrike Seemann-Katz sprach beim ANU-Fachtag in Rostock über den Alltag von Geflüchteten in Deutschland.

Zahlreiche Akteure der Umweltbildung führen bereits erfolgreich Projekte und Aktionen mit Asylsuchenden durch. Der bundesweite ANU-Fachtag „Umweltbildung mit Geflüchteten – Herausforderung für beide Seiten“ lud in Vorträgen und Workshops zum Erfahrungsaustausch ein.
Programm-Flyer

 

Der Fachtag fand in Kooperation mit der ANU Mecklenburg-Vorpommern und der ANU Hamburg statt. Es nahmen 41 Personen teil, die meist in Umweltverbänden, Umweltbildungseinrichtungen oder sozialen Institutionen tätig sind.

 

Wie Flüchtlinge leben
Für Umweltbildner_innen oder auch ehrenamtlich Engagierte ist es hilfreich, die Lebenssituation von Geflüchteten, Ursachen von Flucht sowie das tägliche Leben der Menschen kennenzulernen. Was beschäftigt Geflüchtete in ihrem Alltag? In ihrem Vortrag stellte Ulrike Seemann-Katz vom Netzwerk Arbeit für Flüchtlinge in Schwerin ihre Erkenntnisse dazu vor. Daraus hat sie der ANU freundlicherweise folgende Dateien zur Verfügung gestellt:
Wie leben Flüchtlinge? (Vortragspräsentation)
Projektliste zum ESF-Bundesprogramm Integration
Liste aller Landesflüchtlingsräte (nach Bundesländern)

 

Interkulturelle Kompetenz

Katja Striegler von migra e.V. Rostock zeigte in ihrem Vortrag "Interkulturelle Kompetenz – Chancen in der Arbeit mit Zugewanderten", was interkulturelle Kommunikation ist, wie sie sich effektiv(er) mitgestalten lässt und welche Kompetenzen gefragt sind. Katja Striegler arbeitet im Projekt  „Integration durch Qualifizierung (IQ)“, das durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert wird. Sie erläuterte aufgrund ihres sozialwissenschaftlichen Hintergrunds sowie auch sehr konkret und anhand von Beispielen wie sich kulturelle Unterschiede auf die Kommunikation auswirken. Dabei kamen zum Beispiel die Unterschiede direkter und indirekter Kommunikation zur Sprache, etwa ob Konflikte direkt angesprochen oder über dritte vermittelt werden.

Präsentationsfolien von Katja Striegler zur Interkulturellen Kompetenz

 

Vortrag zum Ressourcentag: Gemeinsam aktiv in Asylunterkünften
Als Leiterin des bundesweiten gleichnamigen Projekts stellte Annette Dieckmann den aktuellen Stand vor. Ca. 80 Trainer_innen wurden von der ANU fortgebildet, um zwischen November und Dezember 2016 insgesamt 160 eintägige Schulungen für Geflüchtete zum nachhaltigen Umgang mit Energie, Wasser und Abfall durchzuführen. Zielgruppe waren junge Geflüchtete mit Bleibeperspektive, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnten. Die eintägigen Schulungen wurden durch Teams von drei Trainer_innen durchgeführt, die sowohl über umweltpädagogische als auch über sozialpädagogische Kompetenz verfügten. Das Projekt wurde gefördert durch das Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die Initiative ging von den Kooperationspartnern Landratsamt Fürstenfeldbruck und Energieagentur Unterfranken aus. Als weitere Kooperationspartner brachte die evangelische Jugendsozialarbeit Bayern ihre Kompetenzen ein. Mehr zum Ressourcentag hier.

Erfahrungen aus der Biotop- und Landschaftspflege

Cornelis F. Hemmer von der Stiftung für Mensch und Umwelt aus Berlin stellte die Erfahrungen aus dem Projekt „Flüchtlinge in der Biotop- und Grünpflege in Berlin und Ludwigsburg“ vor. Durch das von der Allianz Umweltstiftung geförderte Projekt sollte das Interesse an Grünen Berufen gesteigert und auch die Selbstwirksamkeit durch die konkreten praktischen Tätigkeiten gefördert werden. 24 Teilnehmende haben jeweils ein halbes oder ein ganzes Jahr mit 80 bis 100 Stunden pro Monat teilgenommen. Dabei haben sie u.a. Tätigkeiten wie Baumschnitt, Apfelernte, Kartierungen durchgeführt. Herr Hemmer diskutierte mit den Teilnehmenden Stärken und Schwächen des Projekts. Die engagierten Träger und Kooperationspartner trafen sowohl auf hohe Arbeitsbereitschaft und Interesse der Teilnehmenden am Thema, mussten aber auch mit Unzuverlässigkeit umgehen und insgesamt sehr viel Flexibilität zeigen. Die gesammelten Erfahrungen können für weitere Projekte sehr wertvoll sein, z.B. was es bei der Vorbereitung zu beachten gilt, wie die Verbindlichkeit einer Teilnahme für Geflüchtete kommuniziert werden kann oder wie sich Angebote mit dem teils organisationsaufwändigen Alltag von Geflüchteten (Deutschkurse, Behördengänge etc.) in Einklang bringen lassen.

Präsentationsfolien von Cornelis Hemmer zu Praxiserfahrungen mit Flüchtlingen in der Biotop- und Grünpflege

 

„Zielgruppe“ geflüchtete Kinder
Einen weiteren Workshop gestaltete die Umweltpädagogin Dr. Katharina Henne von der ANU Hamburg zum Thema „Angebote für geflüchtete Kinder in Basisklassen – eine neue Herausforderung für die außerschulische Umweltbildung?“. Der Workshop-Leitfaden steht hier als pdf-Download zur Verfügung. Die Teilnehmer_innen diskutierten ihre Erfahrungen mit unterschiedlichen Umweltbildungsveranstaltungen für Klassen aus Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen und erarbeiteten Möglichkeiten der Umweltbildungsarbeit mit Geflüchteten.
Persönliche Voraussetzungen bei der Umweltbildungsarbeit mit geflüchteten Kindern seien Geduld, Achtsamkeit und Wertschätzung sowie Einfühlungsvermögen („Denke wie ein Kind“). Zudem sei es hilfreich, inhaltliche Ansprüche erst einmal herunterzuschrauben und auf das zu reagieren, was kommt. Als externe Voraussetzungen wurde genannt, dass Umweltbildner_innen Geld und Zeit bräuchten, man Versicherungsfragen vorher klären müsse und Anbieter_innen insbesondere darauf achten sollen, regelmäßige Veranstaltungen mit Kitas und Schulen anzubieten, damit die Kinder Beziehungen zu den Betreuungspersonen aufbauen können.
Was geeignete Methoden anbelangt, diskutierten die Teilnehmer_innen, dass ein Vorgehen in „kleinen Schritten“ am sinnvollsten sei. Es empfehle sich, an Spiele und Methoden anzuknüpfen, die die Kinder schon kennen (z.B. Verstecken, Gärtnern). Im Fokus solle das gemeinsame Tun stehen, weniger reden, als viel mehr erleben lassen. Für eine vertrauensvolle Beziehung seien kleine Gruppengrößen von 4-5 Kindern pro Betreuer_in und die Einbindung von Eltern (am besten in eigenen Veranstaltungen) nötig.

 

Veranstalter, Kooperationspartner und Förderung:
Der bundesweite Fachtag wurde veranstaltet vom ANU Bundesverband in Kooperation mit der ANU Mecklenburg-Vorpommern und der ANU Hamburg im Rahmen des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekts „Integration geflüchteter Menschen durch Umweltbildung. Qualifizierung, Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit für außerschulische Bildungsanbieter“.

 

Institution und Infos:
Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Bundesverband e.V. (ANU-Bundesverband)
Annette Dieckmann
Kasseler Str. 1a
60486 Frankfurt /Main
Tel.  069 71673329-21
E-Mail: dieckmann@anu.de
www.umweltbildung.de