Bollerwagen-Projekt im Regionalforstamt Ostwestfalen-Lippe

Die Idee den Wald mithilfe eines „Bollerwagens“ zu entdecken, entstand bei der Arbeit mit Flüchtlingskindern in verschiedenen Folgeunterkünften. Aus einem handelsüblichen Bollerwagen zum Transport von Materialien, hat sich eine Philosophie entwickelt.

Gemeinsames Essen im Wald. Foto: Andreas Roefs/Wald und Holz NRW.

Durch besondere Aktionen im Naturraum wird geflüchteten Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gegeben, dem belastenden Alltag in den Unterkünften zu entgehen. In erster Linie wird dabei den Menschen Abwechslung, Ablenkung, Vertrauen, Selbstfindung und Entspannung durch waldpädagogisch begleitete Aktionen angeboten. Die Kulisse dafür bietet der Wald.

Diese Wald-Aktionen stellen dabei ausdrücklich nicht auf Inhalte eines außerschulischen Lernorts ab, sondern vielmehr darauf, die Menschen durch gemeinsames Spielen und Entdecken willkommen zu heißen, ihnen Freude zu vermitteln und ihnen vielleicht sogar ein wenig Seelenfrieden zu geben.

Unter den Teilnehmenden befinden sich vornehmlich Kinder und Jugendliche, doch auch Erwachsene nehmen an den Aktivitäten teil. Um altersgerechte Angebote bieten zu können, werden die Gruppen entsprechend aufgeteilt. Dabei steht ein menschlicher und vertrauensvoller Umgang mit den zum Teil traumatisierten Menschen im Vordergrund. Der Wald dient dabei als Ort, der durch seine Struktur und Vielfältigkeit, seine Auswirkungen auf die Sinne und durch seine Lebendigkeit vielfältige Möglichkeiten bietet. Daraus erwächst auch in der Kürze der Zeit mitunter ein wechselseitiges Vertrauensverhältnis und die Vermittlung erster Sprachkenntnisse.

Besonders zu Beginn des Projektes stellten fehlende Sprachkenntnisse eine Barriere dar, doch diesem Hindernis konnte durch einfache Inhalte und Aktivitäten, die die Sinne ansprechen und im Kontext des Waldes stattfanden, begegnet werden. Die Anwesenheit von ÜbersetzerInnen ist daher nicht unbedingt notwendig, wenn auch sehr hilfreich.

Eine weitere Herausforderung stellen bisweilen die unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründe der Teilnehmenden dar, denen ebenso mit Feingefühl begegnet werden muss. Das gilt in besonderem Maße für traumatische Erlebnisse oder gar physische Verletzungen. Aus diesen Gründen sind die BetreuerInnen (die keine therapeutischen Aufgaben wahrnehmen) nie alleine mit den Teilnehmenden im Wald unterwegs und für diese Aspekte sensibilisiert und – so gut es geht – vorbereitet.

Bei der Planung und Durchführung müssen dann noch intensiver als gewöhnlich Sicherheitsaspekte und Notsituationen bedacht werden. Außerdem ist verstärkt auf Gesundheitsvorsorge bei Teilnehmenden und Begleitungen zu achten. Leider sind die TeilnehmerInnen nicht immer angemessen für die Aktivitäten im Freien ausgestattet, weshalb die Möglichkeiten besonders im Winter limitiert sind.

Der Bollerwagen ist in dieser Situation mehr als ein Transportmittel. Er ist für die Menschen ein Symbol für Vertrauen und Willkommen geworden. Der Wagen selbst ist prall gefüllt mit entsprechenden Geräten (Seile, Bälle, Instrumente, Spiele, Vorlagen, Werkzeuge, usw.) sowie mit entsprechenden Hilfsmitteln (Erste-Hilfe-Tasche, Müllbeutel, Wasser, Getränk, Decken, Tücher) und kann im Notfall auch als Vehikel für den Kurztransport von kranken oder verletzten Teilnehmenden dienen.

Die Kontaktaufnahme zu den Geflüchteten findet ausschließlich über Hilfsorganisationen und Vertreter der Bezirksregierung statt. Das Projekt wird durch den Landesbetrieb Wald und Holz NRW unterstützt – er stellt sowohl Personal als auch Material für das Projekt zur Verfügung.

 

Projektleiter Andreas Roefs erzählt im Frühjahr 2017, wie es weitergegangen ist:
Mein „dienstliches“ Engagement im Bereich der Umweltbildung mit Flüchtlingen konzentriert sich seit Mitte des vergangenen Jahres auf die Betreuung einer Integrationsklasse (Willkommensklasse). Diese spezielle Klasse ist in eine Gesamtschule integriert. Hier werden die Jugendlichen intensiv begleitet (Sprache, Schrift, Wertevermittlung) und nehmen zeitgleich phasenweise an „normalen“ Unterrichtseinheiten zur besseren Integration teil. Die Gesamtschule wurde u.a. für dieses Projekt aus Landesmitteln (NRW) gezielt gefördert.

Damit die Zusammenarbeit im Bereich Umweltbildung strukturierter, nachhaltiger und kontinuierlicher umgesetzt werden kann, haben wir als Regionalforstamt eine Kooperation mit der Gesamtschule vereinbart. Dazu habe ich ein sehr umfangreiches und detailliertes Konzept erarbeitet. Meine Aufgabe besteht darin, den Bereich Wald und Natur in einer Mischung als Ort für Sinnerleben einerseits und als außerschulischen Lernort andererseits  zu vermitteln. Der Schwerpunkt liegt eindeutig im Bereich des Sinnerlebens, weil hier viele unterschiedliche Aspekte analog der De Haanschen Kernkompetenzen angeboten werden können. Außerdem eignet sich der Naturraum wie kein anderer für bestimmte Handlungsansätze (gemeinsames Essen, Erzählen, Spielen, kreatives Tun, Vertrauensbildung, etc.). Der Anspruch ist durchaus ambitioniert, aber meine Erfahrung zeigt, dass in dieser Kombination aus Schule und Naturraum ein echte Integrationschance besteht. Da sich diese Aufgabe sehr intensiv gestaltet, habe ich entschieden, vorerst auch nur dieses eine Projekt zu begleiten.

Bei der betreuten Gesamtschule handelt es sich um die „Felix-Fechenbach-Gesamtschule“ in Leopoldshöhe (OWL), die als Institution an einem Modellversuch (Projekt Korrespondenzschule) teilnimmt. Dabei handelt es sich um ein gemeinsames Projekt des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung NRW und der Bertelsmann-Stiftung zur Stärkung von Schulen im kommunalen und regionalen Umfeld. Die Korrespondenzschule beschränkt sich im Wesentlichen auf das Arbeitsfeld der Unterrichtsorganisation und vor allem Unterrichtsgestaltung. Dabei werden die Konzepte für dieses Modellvorhaben von dem Projekt "Schule & Co." übernommen.

 



Institution & Infos
Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen
Regionalforstamt Ostwestfalen-Lippe
Ansprechpartner: Andreas Roefs
Bleichstraße 8
32423  Minden
E-Mail: andreas.roefs@wald-und-holz.nrw.de
Tel.: 0571 8378688
Mobil: 0171 5873522