Take Care - gemeinsam für unsere Umwelt

Junge Geflüchtete lernen die nachhaltige Nutzung der Kulturlandschaft des Fichtelgebirges kennen – mit Modulen zu Nutzgarten, Bienenweiden, Müllrecycling, öffentlichen Flächen und Energiesparen.

Teilnehmer_innen der Aktion „Wir im Fichtelgebirge“. Foto: Umweltstation Bürgerpark

Die Umweltstation Lernort Natur-Kultur im Bürgerpark Katharinenberg hat sich zum Ziel gesetzt, jungen Geflüchteten die Kulturlandschaft des Fichtelgebirges und Regeln einer nachhaltigen Nutzung zu erläutern. Diese Regeln werden Kindern und Jugendlichen als Orientierungspunkte zum Schutz der Kulturlandschaft und zur Wahrung der Interessen ihrer NutzerInnen erläutert.

Erste Identifikation mit der neuen Umwelt
In Kooperation mit WunInfra, der Wunsiedler Flüchtlingshilfe, dem Bildungsinstitut Pscherer und dem Greifvogelpark Katharinenberg werden Geflüchtete zusammen mit Einheimischen altersgemäß mit unterschiedlichen Aspekten der Kulturlandschaftsnutzung konfrontiert. Die Teilnehmenden können dabei erste Kontakte zu einheimischen Altersgenossen knüpfen. Hand in Hand erleben sie die Möglichkeiten, die sich aus einer geregelten Nutzung der Kulturlandschaft ergeben. Diese Möglichkeiten fördern eine erste Identifikation der TeilnehmerInnen mit ihrer neuen Umwelt.

In weiteren Modulen pflegen die Teilnehmenden gemeinsam verschiedene Areale der Kulturlandschaft im Fichtelgebirge und erfahren vom Bildungsinstitut Pscherer Details über die Sinnhaftigkeit von Mülltrennung und der Einsparung von Energie. Im Rahmen von Führungen geht es zum Wertstoffhof der Stadt Wunsiedel, einem Recycling-Unternehmen, dem Biomasseheizkraftwerk in Holenbrunn und Windrädern im Fichtelgebirge. Insgesamt werden fünf verschiedene Module angeboten, die am Ende dieses Portraits stichpunktartig beschrieben werden.

Angeboten werden die Module für SchülerInnen der Stufen 7-9 und 11-13 der Grund- und Mittelschule Wunsiedel, da hier auf eine bestehende Kooperation aufgebaut werden kann und die Kontaktaufnahme zu interessierten Personen abseits institutioneller Kooperationen schwierig ist. Je nach Modul finden die Aktivitäten ein- bis zweimal wöchentlich über zwei bis vier Stunden statt. Die Teilnehmerzahlen schwanken dabei zwischen zwölf und 20 Personen.

Besonderheiten in der Arbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen
In der Arbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen zeigen sich einige Besonderheiten und Unterschiede im Vergleich mit einheimischen TeilnehmerInnen. Z.B. müssen sie sich zu Beginn einer Veranstaltung zunächst „austoben“, denn man merkt ihnen deutlich an, dass sie außerhalb des Projektes selten die Möglichkeit haben etwas Konstruktives mit körperlicher Anforderung zu tun. In einer solchen Anfangsphase müssen die Gruppen-AnleiterInnen sehr gut aufpassen und aufkeimende Konflikte schlichten. Sind die Teilnehmenden erst einmal im Projekt angelangt, wird es leichter mit ihnen zu arbeiten. Ziel ist es daher zunächst, diese Anfangsphase zu verkürzen, um dann in der Arbeitsphase fachliche und sprachliche Aspekte stärker einfließen lassen zu können. Zur Beruhigung der Arbeitsatmosphäre wird jetzt verstärkt ein Abfragen von Gartenvokabular als Voraussetzung für den Beginn der Arbeit eingesetzt. Die Suche nach geeigneten Beteiligungsformaten, die zielorientiert und die Eigeninitiative fördernd wirken, ist jedoch noch nicht abgeschlossen.

Von den meisten Teilnehmenden bekommen die AnleiterInnen in ungewohnter Weise positives Feedback. Die TeilnehmerInnen beider Klassen zeigen deutlich, dass ihnen die Arbeit im Garten Freude bereitet und dass es ihnen wichtig ist zum Gartenteam zu gehören. Gegen Ende der Module sind sie in der Regel sehr darauf bedacht von den Anleitenden ein Feedback zu bekommen. Fällt dieses positiv aus, sind die TeilnehmerInnen sichtlich stolz auf ihre Arbeit.

Zur verstärkten Identifikation der Teilnehmenden mit ihrer neuen Umwelt erscheinen aus Sicht der Projektarbeit folgende Aspekte als sehr wichtig: individuelle Aufgaben, eine persönliche Ansprache, feste Orte (z.B. Schulgarten, öffentliche Gärten, etc.) und gemeinschaftliche „Rituale“.

Kulturelle Unterschiede und Herausforderungen
Eng mit den genannten Besonderheiten verknüpft sind ebenfalls kulturelle Unterschiede, z.B. während des Ramadans. Während dieser Zeit machen sich die AnleiterInnen Gedanken, ob die körperliche Arbeit bei den jüngeren Teilnehmenden vielleicht zu strapaziös wird. Die Anleitenden und das Lehrpersonal achten daher darauf, Symptome schnell zu erkennen, um ggf. Schlimmeres (hoffentlich) verhindern zu können.

Außerdem scheinen familiäre Strukturen bei den Teilnehmenden in der Regel stärker ausgeprägt zu sein als bei einheimischen TeilnehmerInnen. Ältere Menschen werden schneller als Autoritäten anerkannt und das Feedback der Teilnehmenden ist sehr herzlich und motivierend.

Herausfordernd sind bisweilen Sprachprobleme, die jedoch zumeist durch geduldiges Erklären und Vorführen umschifft werden können. Das Vokabel-Training zu Beginn der Aktivitäten erleichtert die anschließende Arbeit wesentlich. Ein Dolmetscher war daher bei der Gartenarbeit bisher nicht nötig.

Zwiespältige Erfahrungen mit unbeteiligten Personen
Durch die Initiierung erster Dialoge mit unbeteiligten BürgerInnen im Rahmen von Ausstellungen und Festen wird der Bau kommunikativer Brücken zwischen Geflüchteten und Einheimischen ermöglicht. Zum einen finden sich hier offene, interessierte Menschen, die die Tätigkeiten der Umweltstation begrüßen. Zum anderen kommen die AnleiterInnen auch aufgrund der geleisteten Arbeit im öffentlichen Beerengarten mit den Anwohnern ins Gespräch. Die Feedbacks sind in der Regel positiv. Gern wird angesichts der geleisteten Arbeit auch einmal über die muntere „akustische Begleitung“ hinweggesehen.

Im Bürgerpark muss man infolge der größeren Frequenz auswärtiger Besucher jedoch auch damit rechnen, dass eine offene Abneigung den Geflüchteten gegenüber zur Schau gestellt wird. Erfahrungen mit einem irakischen Praktikanten der Umweltstation haben verdeutlicht, dass derartige Reaktionen nicht durch ein Fehlverhalten der Geflüchteten induziert werden müssen, sondern, dass eine Andersartigkeit allein schon ausreichen kann, um unfreundliche Blicke und/oder Kommentare zu „provozieren“.

Die positiven Erfahrungen im öffentlichen Beerengarten bestärken die AnleiterInnen jedoch auch im Bürgerpark mit dem Projekt fortzufahren und, wenn nötig, Besuchern den Hintergrund der Arbeit zu erläutern.

Die Module im Einzelnen

Modul 01: Unser Nutzgarten (Schulgarten der Grundschule Wunsiedel/ Beerengarten in Holenbrunn)

  • Gemeinsame Anlage und Pflege von zwei Nutzgartenflächen
  • 2×10 Teilnehmer (ca.) pro Gartenfläche
  • Mischkulturen
  • Pflege alle 1 – 2 Wochen (Hacken, Harken, Wildkrautentfernung, Wässern, etc.)
  • Abschließendes Fest mit Anliegern und interessierten Bürgern im Spätherbst
  • Referenten: Gartenbäuerin Inge Riess, Dr. Kristina Schröter, Dr. Guido Kossmann


Modul 02: Unsere Bienenweide/ Obstwiese (am Katherer)

  • Anlage der Bienenweide 04/2016 durch Florentina Reichel und Martin Thüring
  • Pflege der Bienenweide, Honigernte (Erläuterung der Wichtigkeit von Trachtpflanzen)
  • Pflege der Obstwiese (Gehölzschnitt, Rasenmahd) und Ernte (Saft- oder Musbereitung)
  • 10 Teilnehmer (ca.) pro Fläche
  • Honig, Saft und Mus für das Nutzgartenfest
  • Referenten: Imker und Naturführer Markus Gläßel, Dr. Guido Kossmann, Florentina Reichel (FÖJ), Martin Thüring (BFD)


Modul 03: Die Nutzung öffentlicher Flächen in Wunsiedel (Am Katherer/ Schul-, Park- und Forstflächen der Stadt Wunsiedel)

  • Theoretische Einführung
  • Aufnahme und Dokumentation von Übernutzungsformen (GPS-Nutzung)
  • (Vandalismus, Bodenverdichtung, sonstige mechanische Beeinträchtigung von Pflanzenbeständen)
  • Ausarbeitung eines Gegenmaßnahmenplans (mit Forst Wunsiedel)
  • Behebung der Übernutzungsformen (mit Forst Wunsiedel)
  • 2×10 Teilnehmer (ca.) pro Areal
  • Referenten: Sandra Stark (WunInfra Forst), Markus Rossmeisl (WunInfra Forst), Dr. Kristina Schröter, Dr. Guido Kossmann, Florentina Reichel (FÖJ), Martin Thüring (BFD)


Modul 04: Müllrecycling (Am Katherer/ Öffentliches Grün/ Forst)

  • Theoretische Einführung (Bildungsinstitut Pscherer)
  • Besuch des Wertstoffhofes und eines Recyclingunternehmens
  • Beseitigung wilder “Mülldeponien” (> Aufnahme im Rahmen von Modul 03)
  • 2×10 Teilnehmer (ca.) pro Areal
  • Vertiefung des Themas: Müllskulpturen (Kids), Biomasserecycling auf der Obstwiese am Katherer (Anlage eines Komposts)
  • Referenten: Bildungsinstitut Pscherer, Dr. Guido Kossmann


Modul 05: Energiesparen/ Alternative Energien

  • Theoretische Einführung (Bildungsinstitut Pscherer)
  • Besuch eines Windrades, im Biomasseheizkraftwerk Holenbrunn
  • 2×10 Teilnehmer (ca.)
  • Vertiefung des Themas: Experimente zum Klimawandel / Alternative Energien (Kids), Bau einer Photovoltaikanlage für die Us (Teens)
  • Referenten: Bildungsinstitut Pscherer, WunInfra Energie, Dr. Guido Kossmann

 
Aus aktuellem Anlass hat die Umweltstation Bürgerpark entschieden, einen Tag der Regionen zum Thema "Integration" zu veranstalten. Er fand am 1.10.2016 statt (zur Ankündigungsseite). Unter dem Motto "Wir im Fichtelgebirge" sollen Integrationsinitiativen der Region eine Präsentationsplattform erhalten. Der Tag soll den Erfahrungsaustausch fördern und Einheimischen und Geflüchteten die Möglichkeit geben, aufeinander zuzugehen. Als Nukleus dient das geplante Erntedankfest des Take Care-Projektes, welches nun von einigen Projektträgern aus der Region sowie der Akademie Kinder Philosophieren und der Uni Bayreuth Unterstützung finden wird. Ein Flyer zur Veranstaltung steht zum Download zur Verfügung.
 

Institution und Infos:
Umweltstation Bürgerpark
Ansprechpartner Take Care:
Dr. rer. nat. Guido Kossmann
Rot-Kreuz-Str. 6
95632 Wunsiedel
Tel.: 09232 8810610
E-Mail: kontakt@lernort-buergerpoark.de