Fremde Gerichte mit regionalen Produkten

Der Tagwerk Verein in der bayerischen Ökomodellregion Isental lud Eritreer und Einheimische zum gemeinsamen Kochen und Essen ein. Welche Hürden und Erkenntnisse sich daraus ergaben: Eine vorläufige Bilanz.

Das somalisch-deutsche Kochteam

Das interkulturelle Kochen „Fremde Gerichte mit regionalen Produkten – gemeinsam kochen und essen mit Flüchtlingen“ war eine Kooperationsveranstaltung der Ökomodellregion Isental, des TAGWERK e.V., der TAGWERK eG und des Kreisjugendrings Mühldorf.

Die Veranstaltungsreihe wurde an mehreren Orten im Landkreis Mühldorf durchgeführt. Der Auftakt fand im Herbst 2015 statt, weitere Veranstaltungen folgten im Jahr 2016.

Ziele der Veranstaltung waren:
Kontakt und gegenseitiges Verständnis zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den Flüchtlingen über das Essen schaffen. Die Gerichte sind aus der Heimat der Flüchtlinge, die Zutaten ausschließlich aus der Region.
„Werbung“ für Lebensmittel aus der Region im Rahmen des Projekt „Öko-Modellregion
Isental“

Die Auftaktveranstaltung fand am 19. November 2015 im Bürgerhaus in Schwindegg statt. Es war dabei geplant, dass die 17 Flüchtlinge (aus Eritrea und Afghanistan) zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde kochen und die gekochten Speisen gemeinsam gegessen werden. Die Veranstaltung wurde in der regionalen Tagespresse und in den Gemeindeblättern der Gemeinden Buchbach und Schwindegg beworben. Zur Planung der Mengen war eine Anmeldung erforderlich, die Veranstaltung selbst war kostenfrei. Die Lebensmittel wurden durch den TAGWERK e.V. und die TAGWERK eG gesponsert. Es wurden ausschließlich Bio-Lebensmittel eingesetzt, soweit vorhanden aus der Region. Die Kosten für Lebensmittel und Getränke beliefen sich auf etwa 180 Euro.


Es waren 4 (fleischlose) Gerichte vorgesehen: 1 eritreisches Linsengericht, 1 eritreisches Kohlgericht, 1 afghanisches Kürbisgericht, Kaiserschmarrn (letzteres wurde vom Flüchtlingsbetreuer als Nachspeise zubereitet). Neben den 17 Flüchtlingen haben sich etwa zehn Bürgerinnen und Bürger am Kochen beteiligt. Zum Essen waren dann insgesamt etwa 50 Personen anwesend.


Ablauf der Veranstaltung:
• 18.30-20 Uhr Gemeinsames Kochen
• Ab 20 Uhr: Gemeinsames Essen
- Begrüßung durch die Bürgermeister der Gemeinden Schwindegg und Buchbach
- Kurze Vorstellung der Öko-Modellregion Isental durch den Projektmanager
- Kurze Begrüßung durch die Geschäftsführerin des Kreisjugendrings Mühldorf
- Kurze Statements zu den Themen Öko-Landbau und Regionalität durch zwei Biobauern
- Gemeinsames Essen

Bewertung:
Die Veranstaltung war ein Erfolg; die Rückmeldungen seitens der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war durchweg positiv; die Lokalpresse hat über die Veranstaltung positiv berichtet. Pressevertreter
waren vor Ort. Darüber hinaus gab es Artikel in den lokalen Gemeindeblättern.

Vorbereitung der Veranstaltung:

- Die Flüchtlinge sprachen bis auf eine Person weder Deutsch noch Englisch.
- es gab niemanden, der hätte dolmetschen können. So war es auch schwierig den Flüchtlingen zu erklären, was wir vorhatten und was wir von ihnen brauchten.
- Der Wunsch der Veranstalter, dass die Flüchtlinge Rezepte aus ihrer Heimat bereitstellen
könnten, konnte nicht realisiert werden (aus sprachlichen Gründen?). Aus diesem Grund wurden drei (fleischlose) Gerichte (zwei aus Eritrea, eines aus Afghanistan) aus dem Internet herausgesucht.
- Durch den Umstand, dass die Betreuung der Flüchtlinge ehrenamtlich erfolgte (sowohl
Betreuung als auch Deutschunterricht), der Betreuer aber neben der Flüchtlingsbetreuung
in vielen Vereinen und der Pfarrgemeinde aktiv ist und deshalb schwer erreichbar war, wurde die Vorbereitung der Veranstaltung weiter erschwert.

Das Kochen:
Der Start der Veranstaltung war holprig.
- Einige der Flüchtlinge glaubten, dass diese Veranstaltung eine Art Prüfung wäre und waren deshalb sehr nervös; daran lässt sich erkennen, wie sehr Sprachbarrieren zu Verständigungsschwierigkeiten führen können; in diesem Fall ist es besonders bedauerlich, da wir ja eher etwas Freudiges für
beide Seiten – Bürger wie Flüchtlinge – als Veranstaltungsziel hatten.
- Bei der Vorstellung darüber, was es zu essen geben sollte, gab es seitens der Veranstalter und der Flüchtlinge einen Dissens. Für die eritreischen Flüchtlinge schien es unabdingbar, dass es ein Fleischgericht geben müsse (als sie in die Küche kamen, fragten sie immer wieder nach „Chicken?
Chicken?“) . Die Veranstalter wollten aus grundsätzlichen Gründen, aber auch aus Kostengründen kein Fleisch einsetzen. Die Folge: Die Gruppe von Eritreern zog los, um im Supermarkt Rindfleisch zu kaufen.
- Für ein eritreisches Gericht war eine besondere Gewürzmischung notwendig. Die Veranstalter bereiteten diese Mischung nach einem online-Rezept mit Biogewürzen zu. Dieses Gewürz war aber für die Eritreer nicht akzeptabel. Sie verwendeten ihr eigenes.
- Die Küche war eigentlich zu klein für so viele Menschen. Auch reichten die Kochplatten nicht aus, da die Eritreer Fladenbrote in zwei Pfannen buken und dabei zwei von vier Kochplatten des Herdes besetzten.
- Die Rezepte haben wir in Deutsch verfasst. Hier musste erst einer der Flüchtlinge diese übersetzen, ehe das Kochen beginnen konnte.

Die geplante Kochzeit von 1 ½ Stunden war viel zu knapp bemessen, da für 50 Personen doch eine größere Menge vorbereitet werden musste. Das Kochen begann ohnehin schon um 18 Uhr, was aber
immer noch zu kurz war. Mit drei Stunden Zeit muss man wohl schon rechnen. Der Start beim Kochen war etwas chaotisch. Die Kochgruppen von Flüchtlingen und Bürger für die einzelnen Rezepte haben
sich dann aber doch gefunden und sich sehr gut selber organisiert. Zusätzliche Kochplatten wurden organisiert, ein großer Topf, der mit einer Heizspirale ausgestattet ist, wurde von Tagwerk gestellt.
Am Ende kamen mit etwas Verspätung – zumindest aus der Sicht der Bürger und der meisten Flüchtlinge – schmackhafte Speisen heraus. Die Stimmung beim Kochen war gut.

Das Essen:

- Um den Aufwand möglichst gering zu halten und um sicher zu gehen, dass jeder nur das nimmt, was er auch Essen will, wurden die Speisen nicht serviert, sondern jeder Gast wählte sein Essen in der
Küche. Das erwies sich auch als richtig.
- Beim Essen gab es freie Platzwahl. Insofern vermischten sich die Gruppen (Einheimische und Flüchtlinge) nur bedingt. Die großen Sprachbarrieren machten darüber hinaus einen gegenseitigen Austausch fast unmöglich.

Text: Michael Rittershofer
Der Text erschien zuerst in umwelt mitwelt zukunft (Umweltmagazin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern), Ausgabe 73 / 2016.

Institution und Infos:
TAGWERK e.V.
Dr. Michael Rittershofer, Geschäftsführer und Projektmanager Ökomodellregion Isental
Siemensstr. 2, 84405 Dorfen
Tel.: 08081 9379-50
E-Mail: michael.rittershofer@tagwerk.net