Naturzufluchten - Natur als Raum für Begegnungen

Die Jugendorganisation Bund Naturschutz (JBN) möchte mit ihrem Projekt „Naturzufluchten“ Flüchtlinge in bestehende JBN-Gruppen integrieren.

Die interkulturelle Mediatorin und Sozialpädagogin Sofie Engl sprach Anfang 2016 beim ersten Infotreffen interessierter JBN-Gruppenleiter aus Bayern. Foto: Lioba Degenfelder

Europa wird derzeit mit einem gigantischen Flüchtlingsstrom konfrontiert. Die Menschen fliehen vor Krieg und Gewalt, Verfolgung, Unterdrückung und Perspektivlosigkeit. Die Folgen des Klimawandels und einer ungerechten global agierenden Wirtschaftsstruktur sind Gründe für Abwanderung und Flucht. Diese Gründe deutlich zu machen und Alternativen aufzuzeigen erfordern ein Bewusstwerden unseres eigenen Handelns und die Bereitschaft, hinter die Fassaden von Politik, Wirtschaft aber auch unseres eigenen Lebensstils zu schauen. Mit diesem Bewusstsein wird die JBN aktiv und ruft das Projekt "Naturzufluchten" ins Leben.

Die aktuelle Lage in Europa und Deutschland verlangt von allen Bereichen der Gesellschaft eine große Anstrengung. Dabei geht es neben der akuten Hilfe und dringenden politischen Entscheidungen auch um langfristige Perspektiven für die ankommenden Menschen und für unser Land. Ängste, aus denen Gewalt und Ablehnung entstehen können müssen abgebaut werden. Die oben genannten Gründe für Flucht müssen durchschaut werden, um Politik und Wirtschaft dazu aufzufordern, die Ursachen zu verändern. Eine angstfreie und positive Willkommenskultur sind der Anfang einer gelungenen Integration.


Natur als Heimat?
Heimat – eines der Wörter, die es übrigens nur so im Deutschen gibt – ist für jeden Menschen etwas anderes. Das kleine Dorf, der Inselstrand hinter den Kiefernwäldern, Plattenbauten, der Sternenhimmel der Wüste… Doch Heimat ist noch viel mehr – es sind unscharfe Erinnerungen, eher eine Hintergrundmelodie bestehend aus dem Geruch des Lieblingsessen von der Oma gekocht, das Einschlaflied der Mutter, ein Ausdruck, dessen Bedeutung nur wenige Menschen kennen und eben Naturphänomene wie der Ruf des Waldkauz‘, die Ankunft der Schwalben und Störche, der Salzgeruch des Meeres. Oft wird diese „Hintergrundmelodie“ erst in der Fremde schmerzlich vermisst. Solange „Heimat“ da ist, spürt man sie kaum.
Naturräume und Naturerfahrungen können ein Weg sein, um den ankommenden Menschen eine Möglichkeit der Neu-Verwurzelung zu geben. Natur kann Zufluchtsort, Trost und „Ansaaterde“ sein und werden.


Auseinandersetzung der JBN mit dem Thema Flucht
Die Jugendorganisation Bund Naturschutz beschäftigt sich schon längere Zeit mit den Gründen für Flucht. Dazu verabschiedete die Jugendvollversammlung (das höchste Gremium der JBN) 2014 ein Positionspapier mit dem Titel „Klima kennt keine Grenzen –warum Umweltpolitik Asylpolitik ist“ sowie einen Leitantrag „Keine Verschärfung des Asylgesetzes – Für eine humane und faire Asylpolitik in Deutschland“.
2014 wurde ein landesweiter Arbeitskreis Flüchtlinge gegründet, der das Thema in die Jugendvollverssammlung einbrachte. Bei einer medienpädagogischen Maßnahme „Kamera läuft“ drehten junge Jugendliche mehrere Klimaflüchtlings-Clips.

Welche Ziele verfolgt das Projekt Naturzufluchten?

  • Naturzufluchten will Menschen mit Fluchterfahrungen oder Migrationshintergrund eine positive Willkommenskultur entgegenbringen und Hilfestellung beim „Ankommen“ in der neuen Heimat geben.
  • Das Thema Integration soll in breite Bevölkerungsschichten getragen werden. „Begegnungen“ zwischen Menschen, insbesondere in der Natur, sind zentrales Element von Naturzufluchten, um Ängsten und Vorurteilen den Nährboden zu entziehen.
  • Vor allem Natur- und umweltbedingte Katastrophen, welche der Klimawandel und die aggressive Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen hervorrufen, sollen der Politik und Bevölkerung deutlich gemacht werden. Wirtschaft und Politik werden aufgefordert, die Fluchtursachen an der Entstehung zu bekämpfen.


Wie wird die JBN mit dem Projekt "Naturzufluchten" aktiv?

Flüchtlinge sollen in bestehende JBN-Kindergruppen integriert werden. Sie nehmen bei den regulären Treffen teil, planen mit den anderen Kindern Aktionen und werden so gemeinsam für den Umweltschutz aktiv. Außerdem werden sie zu bewährten bisherigen Veranstaltungen eingeladen z.B. dem Tag der Religionen, Biotoppflegeaktionen oder zum Besuch beim Imker, um gemeinsam Aktionen zu gestalten. Wichtige durchgehende Element sind das gemeinsame Zubereiten und das gemeinsame Essen. Projektpartner hierfür die JBN Kreisjugendleitung in Nürnberg.

Landesweite Aktionen und Projekte durch die Landesstelle

Die Landesstelle versucht landesweit über die Chancen, Möglichkeiten, Rahmenbedingungen, Stolpersteine usw. zu informieren und dadurch die bestehende Jugendarbeit für das Thema zu öffnen. Dafür sind folgende Bausteine vorgesehen:

  • Ein Infotreffen für alle interessierten Gruppenleiter aus ganz Bayern, mit externen Referenten. Dabei werden Möglichkeiten, Praktisches usw. erörtert und Hilfestellung und Ermutigung für das Thema gegeben. Das Infotreffen fand bereits Anfang 2016 statt.
  • Ein Auswertungstreffen, bei dem die Erfahrungen aus den Modellprojekten gesammelt und für andere Gruppenleiter zur Verfügung gestellt werden – daraus soll eine Handreichung für Gruppenleiter entstehen. Das Treffen findet im Frühjahr 2017 statt.
  • „Klimaflüchtlinge“, als begleitende Kampagne, um auf die umweltrelevanten Fluchtgründe aufmerksam zu machen. Dazu gibt es Hintergrundinformationen im Jahresprogramm: Was haben unsere Themen vor Ort mit Klimaflüchtlingen zu tun? (z.B: 3. Startbahn am Münchner Flughafen)
  • Es bestehen kollegiale Verbindungen zum Projekt „Schön, dass du da bist“, ein Kalender von jeweils sechs Künstlern mit Flüchtlingshintergrund und sechs deutschen Künstlern. Sie interpretieren in ihren Motiven eine Frage rund um das Thema Flucht.
    Im Rahmen der 40-Jahr-Feierlichkeiten der Jugendorganisation Bund Naturschutz soll eine Ausstellung von Kunstwerken aus dem Kalender erfolgen. Der Künstler Edin Bajric ist mit 12 Jahren aus Bosnien Herzegowina geflohen und hat sich mit der Frage beschäftigt: „Meine Arche und was nehmen wir mit?“. Er erarbeitet mit Kindern eine „Arche Noah der Flucht“, bei der Kinder sich in die konkrete Lage versetzen, was man selbst in seiner „Arche“ mitnehmen würde, wäre man gezwungen, aus seinem Land zu flüchten.


Text: Lioba Degenfelder


Institution und Infos:

Jugendorganisation BUND Naturschutz
Lioba Degenfelder
Schmiedwegerl 1
81241 München
Tel.: 089 15989630
E-Mail: info@jbn.de